Die antike Geduldsflasche

Von am 4. April 2018 0 158 Views

Wie steht es um Ihre Geduld? Gehören Sie auch zu denjenigen, denen schon mal die berühmte Hutschnur reißt, wenn Ihre Geduld mal wieder auf eine harte Probe gestellt wird? Die liebe Geduld verlangt uns so manches Mal schon etwas ab – oder?

Die antike Geduldsflasche – ein traditionelles Relikt aus vergangenen Tagen

Also, ich hab’s nicht ganz so mit der Geduld, aber ich arbeite an ihr – immer & ständig! Dennoch frage ich mich, wie viel Geduld müssen erst unsere Vorfahren aufgebracht haben, um eine Geduldsflasche ihr Eigen zu nennen?

Eine Geduldsarbeit mit der Geduldsflasche

Eingerichtetes Allgäu MfK WgtEine schöne Tradition, die heute wieder ihre Renaissance erlebt, wenn der Begriff „Vintage“ fällt und wie zufällig in den Raum geworfen wird. Seit mehr als 300 Jahren sind sie präsent, die vorwiegend  in den Wintermonaten gefertigten & gefüllten durchsichtigen Glasflaschen mit geschnitzten Holz- oder Metallteilen. Ob sie nun das erste Mal in Niederösterreich oder im Erzgebirge gesehen wurden? Darüber streiten sich noch heute die Gelehrten – und eigentlich ist es auch egal, denn eine schöne Tradition ist es allemal!

Die Geduldsflaschen erinnern in einer gesteckten Komposition an die Kreuzigung Jesu Christi und waren eine wahre Geduldsarbeit. Darum wurden sie kurzerhand eben Geduldsflaschen genannt. Auch die eigene Kreativität kannte damals schon keine Grenzen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass heute noch die unterschiedlichsten antiken „Eingerichte“, wie sie auch genannt werden, sowohl im Antikhandel als auch in Museen zu bestaunen sind. Aber auch so manch alter Dachboden im Allgäu hat vielleicht noch so seine Geheimnisse, die es zu entdecken und zu lüften gilt.

Auch das Museum im Ahlener Goldschmiedehaus kann davon ein Lied singen. Denn die Geduldsflasche, die sich da präsentiert, hat einen langen und abenteuerlichen Weg beschritten, bevor sie zur Schau gestellt werden konnte:

Leider kann das Alter des Objekts nicht genauer beziffert werden, da es an einem Sachverständigen für diese Disziplin mangelt. Aber wie sie dorthin kam, ist mittlerweile geklärt. Dank eines Erbes, denn die Flasche war vorher im Besitz des verstorbenen Vaters einer Frau Horstkötter aus Beckum, die diesen Schatz wie ihren Augapfel hütete und ihn im April 2013, selbst schon im 87. Lebensjahr, dem Museum widmete. Eine schöne Geschichte, die Tradition erlebbar macht – oder?

Geduldsflaschen & Buddelschiffe

Die verschiedensten Gegenstände in durchsichtige Glasflaschen zu montieren, zu basteln – eben Geduld zu haben – kennen wir bereits bei den sogenannten Buddelschiffen. Schon vor Jahrhunderten vertrieb man sich die Zeit in den langen Wintermonaten mit dieser alten Tradition.

Religiöse und alltägliche Szenen in Flaschen darzustellen wurden detailgetreu in den „Eingerichten“ wiedergegeben. Denn so konnte man sowohl einer Beschäftigung mit meist frommem Inhalt nachgehen als auch mit den kunstvollen Ergebnissen ein wenig zum Aufbessern des meist sehr schmalen Haushaltsbudgets beitragen.

Flaschenpyramide

Flaschenpyramide

Interessant ist dabei noch zu wissen, dass diese Tradition konfessionsübergreifend Verbreitung fand – im evangelisch-lutherisch geprägten Erzgebirge genauso präsent war wie im mehrheitlich katholisch geprägten Allgäu.

Die Geduldsflasche, eine Glasflasche, in die mit viel Geschick eine Szene hinein gebastelt wurde, ist aber keineswegs mit einer Flaschenpost zu vergleichen. Eine solche Geduldsflasche beschränkt sich meistens darauf,  mit Kleinstteilen Bibelszenen nachzustellen.

Meistens, denn einen Sonderfall stellt die Heiliggeistkugel dar. Wobei aus den vom Bergbau geprägten Regionen im Erzgebirge, im Harz, im Vogtland und im Slowakischen Erzgebirge auch Flaschen bekannt sind, die sich mit bergbaulichen Motiven befassen. Apropos Erzgebirge, hier sind auch noch die weihnachtlichen Flaschenpyramiden bekannt.

Nun, ich weiß ja  nicht, wie es so um ihre Geduld bestellt ist, eines weiß ich aber genau, die Geduld und ihre Flaschen sehe ich jetzt in einem ganz anderen Licht, einem, das mir hoffentlich auch bald die Erleuchtung bringt.  Denn, warum muss eigentlich alles immer schneller gehen? Geduld, Geduld… und Achtsamkeit, liebe Mitmenschen!

Bild: Erzgebirgsstube

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